Fiktionen und Friktionen des Interkulturellen im Fremdsprachenunterricht
Was kann und soll der heutige Fremdsprachenunterricht in einer globalisierten Welt leisten? Diese Frage stellte Prof. Dr. Daniel Rellstab in seiner Antrittsvorlesung „Fiktionen und Friktionen des Interkulturellen im Fremdsprachenunterricht“ am 15.11.2018 im Rahmen des Dies Academicus der Gmünder PH.
Im heutigen Fremdsprachenunterricht gehe es längst nicht mehr nur darum, sich Vokabeln und Grammatik einer fremden Sprache anzueignen. Vielmehr komme es darauf an, in einer globalisierten Welt erfolgreich am „internationalen Dialog“ teilzunehmen, „sich in interkulturellen Kontexten angemessen zu bewegen“ und „mit Individuen und Gruppen anderer Kulturen angemessen und respektvoll zu interagieren“ – so die Formulierung im Bildungsplan Sekundarstufe I Baden-Württemberg.
„Kurz gesagt: Der Fremdsprachenunterricht hat die wichtige Aufgabe Schüler/innen bei der Herausbildung einer Schlüsselkompetenz zu unterstützen“, erklärt Rellstab, seit März 2018 Leiter des Masterstudiengangs Germanistik und Interkulturalität/Multilingualität an der PH.
Die Vorstellungen von Kultur und Interkulturalität, die im Unterricht vermittelt werden, seien aber verkürzt. Diese „Fiktionen des Interkulturellen“ können im Klassenzimmer zu Friktionen – also zu Unstimmigkeit – führen, erläutert Rellstab den Titel seiner Vorlesung.
Die Auswertung von Daten habe demnach Folgendes gezeigt: In Klassen mit ausgeprägter kultureller und sprachlicher Vielfalt bieten überkommene Definitionen von Kultur und Interkulturalität den Schüler/innen keine angemessenen Instrumente mehr, um ihr Leben in und zwischen unterschiedlichen Sprachen und Kulturen in Worte fassen und begreifen zu können. Damit verfehle der Fremdsprachenunterricht seinen Zweck, die Schüler/innen zu interkulturell kompetenten Weltbürger/innen auszubilden. „Das Verständnis von Kultur und Interkulturalität muss überdacht werden, wenn der Fremdsprachenunterricht den Bildungszielen gerecht werden will“, sagt Rellstab. „Schüler/innen muss das Rüstzeug an die Hand gegeben werden, ihre kulturelle Identität jenseits von Vorstellungen von Nationalkultur zu reflektieren“, fordert er deshalb.